Anna Selbdritt – was für eine seltsame Bezeichnung! Es ist ein Beiname, die Bezeichnung einer Darstellungsform, die sich im 13. Jhd. in Deutschland verbreitet hat: Die heilige Anna mit ihrer jugendlichen Tochter Maria und dem Jesuskind.
Zu den berühmtesten Darstellungen gehören die von Albrecht Dürer (1519) und Leonardo da Vinci (1501/1507).
In St. Jakob findet man Anna Selbdritt gleich mehrmals. Einmal als Figurengruppe auf dem linken Pfeiler im Großen Saal, als Malerei in der Kirche an der südl. Chorwand auf einem Altarflügel (neben der Hl. Elisabeth) und ganz links auf dem Hagelsheimer Altar an der Nordwand. Und darüber eines unserer kostbarsten Werke: Anna Selbdritt auf einem runden, wolkenumrahmten Mondgesicht schwebend*), aus Lindenholz geschnitzt und reich vergoldet – nach Expertenmeinungen ein Original Veit Stoß um 1500/05.
Die Gruppe war früher in der Frauenkirche, kam 1824 nach St. Jakob. Nach der Auslagerung im 2. Weltkrieg bildete sie ein Hauptstück im Veit-Stoß-Raum des German.Nationalmuseums, bis sie 1963 ihren heutigen Platz einnahm.
Die in der Mitte sitzende Anna ist eine stattliche Frau mittleren Alters mit klugen Augen und leicht geöffnetem Mund; ihr in kunstvollem Faltenwurf fallender goldener Umhang fließt mit dem Gewand der Tochter zusammen, die Säume sind mit erhabenen Inschriften in Gold ohne zusammenhängenden Text verziert.
Maria ist hier als junge Himmelskönigin dargestellt, edel gekleidet mit Krone und stolzem Blick, nicht die aufgewühlte junge Frau wie auf der Heimsuchungsgruppe an der linken Wand, eher ein Pendant zu der ebenfalls bekrönten “Maria mit dem Kind” rechts darunter. Sie weist auf das Jesuskind auf dem Arm ihrer Mutter, ein knuddeliges, nacktes Baby mit Löckchen und blanken Augen im runden Kindergesicht, das nach einer goldenen Kugel greift.
Anna (hebr. Die Begnadete) wird erstmals in den Apokryphen im Protoevangelium des Jakobus um 150 erwähnt. Sie war mit Joachim verheiratet und wurde erst nach 20-jähriger kinderloser Ehe schwanger.
Nach der Legenda Aurea hatte die betagte Anna nach Joachims Tod noch zwei weitere Ehemänner. Seit dem 6. Jhd. wird Anna als Marias Mutter verehrt. Der Kult erreicht im späten Mittelalter seinen Höhepunkt. Anna ist u.a. die Schutzpatronin gegen Gewitter, die in der Zeit um ihren Gedenktag (26. Juli) bei schwülwarmem Wetter ja häufig heftig auftreten. Martin Luther rief sie in höchster Not an: “Hilf Heilige Anna, ich will ein Mönch werden” und erfüllte bekanntlich dieses Gelübde mit ungeahnten Folgen.
Der Hl. Anna werden außerdem noch unzählige Patronate zugeschrieben. Aber das wunderbarste ist doch dieses: Die Großmutter des Heilands zu sein!
Anna Selbdritt schwebt bei uns auf einem runden, wolken-umrahmten Mondgesicht.